
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
über Jahrzehnte hinweg orientierte sich die medizinische Forschung und Versorgung an einem Einheitsmodell – einem Modell, das vor allem auf männlichen Daten und Erfahrungen basiert. Frauen waren in vielen Studien entweder gar nicht vertreten oder systematisch unterrepräsentiert. Auch bei Medikamententests werden nach wie vor überwiegend männliche Probanden eingesetzt – sei es Mensch oder Tier.
Diese einseitige Perspektive hat schwerwiegende Folgen: Sie führt zum sogenannten Gender Health Gap – dem Ungleichgewicht in der gesundheitlichen Versorgung von Frauen und Männern. Ein Ungleichgewicht, das im schlimmsten Fall Menschenleben kostet. Denn Diagnostik und Therapie sind vielfach nicht ausreichend auf geschlechtsspezifische Unterschiede abgestimmt.
Dieser Missstand ist keine Theorie – er ist Realität. Unser Anspruch als Politik muss es daher sein, mehr Gerechtigkeit im Gesundheitswesen zu schaffen. Genau hier setzt unser Antrag an: Wir wollen geschlechtergerechte Medizin stärken – und damit gezielt die Frauengesundheit verbessern.
Wie wichtig dieser Schritt ist, zeigt sich exemplarisch bei der Krebsbehandlung. Die gängigen Diagnose- und Therapieverfahren basieren größtenteils auf Studien mit männlichen Probanden. Dabei wissen wir längst: Biologische Unterschiede – wie Hormonspiegel, genetische Veranlagungen oder das Immunsystem – beeinflussen bei Frauen den Krankheitsverlauf erheblich. Hinzu kommt: Erkrankungen äußern sich bei Frauen häufig mit unspezifischen Symptomen – was zu Fehldiagnosen oder verzögerten Behandlungen führen kann. Deshalb brauchen wir gezielt auf die weibliche Tumorbiologie abgestimmte Diagnose- und Therapieansätze. Auch mögliche Nebenwirkungen und die Wirksamkeit von Behandlungen müssen geschlechtsspezifisch berücksichtigt werden. Nur wenn wir diese Unterschiede ernst nehmen, können wir verhindern, dass Frauen in der Krebsmedizin weiter benachteiligt bleiben.
Dieses Beispiel verdeutlicht: Geschlechtersensible Forschung ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Prävention, Diagnostik und Therapie müssen künftig individueller – und damit gerechter – gestaltet werden.
Ein Schlüssel dazu liegt im Einsatz von Künstlicher Intelligenz und einer konsequenten Digitalisierung des Gesundheitswesens. KI kann helfen, große Mengen an Gesundheitsdaten zu analysieren und bisher übersehene geschlechtsspezifische Muster zu erkennen. So lassen sich Risiken frühzeitig identifizieren – gerade im sensiblen Bereich der Krebsmedizin. Doch auch hier gilt: Wir dürfen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Beim Training von Algorithmen darf nicht erneut ein Geschlecht dominieren. Unsere digitalen Werkzeuge müssen auf vielfältigen, geschlechtergerechten Datensätzen basieren. Sonst droht die Reproduktion alter Ungleichheiten – nur in neuer, digitaler Form.
Ein zentrales Ziel unseres Antrags ist es daher, das Bewusstsein für den Gender Health Gap in der Gesellschaft zu schärfen. Nur wenn wir die Problematik erkennen, können wir wirksame Veränderungen anstoßen. Die Gesundheitskompetenz von Mädchen und Jungen sollte frühzeitig gestärkt werden – etwa im Rahmen des Landesprogramms „Bildung und Gesundheit“, das um Angebote des Öffentlichen Gesundheitsdienstes erweitert werden kann. Öffentlichkeitskampagnen können zudem helfen, die bestehenden Ungleichheiten sichtbar zu machen – und eine breite gesellschaftliche Debatte anzustoßen.
Nicht zuletzt müssen wir auch die medizinische Fachwelt stärker sensibilisieren. Eine Landesgesundheitskonferenz bietet hier einen idealen Rahmen. Sie bringt jährlich relevante Akteurinnen und Akteure zusammen, um zentrale Themen der Gesundheitsversorgung zu diskutieren. Was wäre geeigneter als geschlechtergerechte Medizin? Die Konferenz kann dazu beitragen, gemeinsam Strategien für eine gerechtere, geschlechtersensible Versorgung zu entwickeln.
Meine Damen und Herren, am kommenden Mittwoch, dem 28. Mai, findet der Internationale Aktionstag für Frauengesundheit statt. Der Landtag könnte heute ein starkes Zeichen setzen. Denn der erste Schritt ist, den Gender Health Gap überhaupt als Problem zu erkennen. Der nächste ist, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um ihn zu schließen. Mit unserem Antrag leisten wir einen Beitrag dazu – für ein Gesundheitssystem, dass alle Menschen gleichermaßen berücksichtigt. Unabhängig vom Geschlecht.
Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir selbstverständlich zu.
Vielen Dank.
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