
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
In Nordrhein-Westfalen sind laut Creditreform 1,74 Millionen Menschen überschuldet: Das sind 11,6 Prozent aller Einwohner in unserem Bundesland. Auch wenn diese Zahl zuletzt rückläufig war, ist in Pandemie-Zeiten ein neuerlicher Anstieg zu befürchten.
Ein Beispiel dafür sind Solo-Selbstständige: Ihnen brechen Pandemie-bedingt unverschuldet die Einnahmen weg. Ein weiteres sind Kurzarbeiter*innen, die Einkommensverluste hinzunehmen haben und beispielsweise laufende Kreditraten nicht mehr bedienen können. Auch einkommensarme Alleinerziehende, Rentnerinnen und Rentnern sowie Kranke sind dem Risiko von Überschuldung ausgesetzt. In diesem Fall können sie mit ihren Einnahmen die laufenden Ausgaben nicht mehr decken. Es droht ihnen die Verbraucherinsolvenz.
Ziel einer präventiven Sozialpolitik muss es sein, Betroffene rechtzeitig fachkundig zu beraten und ihre Lebenssituationen wieder zu stabilisieren. Es geht hier zum Beispiel darum,
• den Verbleib in der Wohnung zu sichern,
• vorhandene Schulden durch außergerichtliche Einigung mit Gläubigern abzubauen,
• Kenntnisse in solider Haushaltsführung zu vermitteln um neue Verbindlichkeiten zu vermeiden und
• Betroffene beruflich wie auch gesellschaftlich wieder zu integrieren.
Erfahrungen des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik und des Bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums zeigen, dass sich solche Beratung auch volkswirtschaftlich lohnt: Jeder investierte Euro spielt sich bis zu mehr als sechs Mal wieder ein. Weil durch rechtzeitige fachkundige Beratung beispielsweise außergerichtliche Einigungen möglich werden. Das spart Kosten für Schuldner und Gläubiger und entlastet unsere Gerichte.
Wir streben aus allen diesen Gründen einen möglichst einfachen, schnellen und kostenlosen Zugang zur Schuldnerberatung und zur Verbraucherinsolvenzberatung an.
Wir wollen Hürden für Ratsuchende in Geldnöten abbauen.
Kompliziert ist die Lage für sie zum einen durch die organisatorische Trennung der von den Kommunen getragenen Schuldnerberatung und der Verbraucherinsolvenzberatung – dafür ist das Land verantwortlich: Wir stellen dafür jährlich 6,2 Millionen Euro zur Verfügung.
Ein weiteres Hindernis: Nicht allen, die sie dringend brauchen, steht die Schuldnerberatung kostenfrei offen. Nur Leistungsempfänger nach SGB II und XII haben einen rechtlich abgesicherten Zugang dazu.
Alle anderen Ratsuchenden sind auf kostenlose Angebote der Schuldnerberatung angewiesen, die Dritte freiwillig finanzieren. Dies sind die Sparkassenverbände und Kommunen im Rahmen ihrer freiwilligen Leistungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Diesen Flickenteppich in der Beratungslandschaft wollen wir durch ein einheitliches Angebot ersetzen, damit alle, die es brauchen, möglichst schnell unkomplizierten Zugang zu kostenloser Schuldner- und Verbraucherschutzinsolvenzberatung bekommen. Die bisherige Trennung beider Bereiche muss überwunden werden, damit sich Menschen in der Schuldenkrise zeitnah an einen kompetenten Ansprechpartner wenden können. Das bringt mehr Effizienz ins System.
Bereits jetzt investieren Sparkassenverbände und Kommunen viel in die Beratung von Schuldnern und Schuldnerinnen. Es ist aus unserer Sicht an der Zeit, auch die Gläubiger angemessen zu beteiligen. Die Briten tun dies mit ihrem Fair Share-Contribution-System bereits. Wenn infolge einer erfolgreichen Schuldnerberatung Zahlungen bei Gläubigern eintreffen, zahlen diese einen Anteil an die Beratungsorganisation und finanzieren deren Arbeit so mit. Fair Share – das britische System des fairen Teilens von Lasten könnte auch für uns ein gutes Vorbild sein!
Bisher scheitern hierzulande leider viele außergerichtliche Vergleichsversuche zwischen Schuldnern und Gläubigern. Verantwortlich sind vielfach einzelne Gläubiger. Dazu zählt auch die Öffentliche Hand. Auch hier besteht aus unserer Sicht Handlungsbedarf.
Meine Damen und Herren,
Wir müssen die Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung in Nordrhein-Westfalen solide weiterentwickeln. Denn die Menschen in Deutschland und auch in Nordrhein-Westfalen brauchen bessere Chancen, aus den roten Zahlen herauszukommen. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung für unseren Antrag.
Ich danke Ihnen.
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