Peter Preuß zu TOP 2: „Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen“ (Verfassungsänderung – Wahlalter auf 16 Jahre absenken)

12.02.2020

Sehr geehrte Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

viele Jugendliche interessieren sich für Politik, mitunter en-gagieren  sie sich in den Jugendorganisationen der Parteien. Das ist gut so.

Schon Zwölfjährige, das lernen wir von den Schülerbesu-chergruppen hier im Landtag, haben bereits ein ausgepräg-tes politisches Bewusstsein und können gut argumentieren können, bringen uns manchmal sogar in Argumentations-schwierigkeiten, NEIN, zum Nachdenken.

Allerdings gilt dies nicht für alle Jugendliche. Bei manchen lassen sich noch erhebliche Wissenslücken erkennen, viel-leicht weil sich zu Hause nicht über Politik unterhalten wird oder sie einfach kein Interesse daran haben. Natürlich trifft dies auch auf viele Erwachsene zu. Politisches Interesse o-der politisches Bewusstsein ist keine Frage des Alters. Des-halb ist es auch nicht möglich, das richtige Wahlalter nach Kriterien zu bestimmen.

Es ist schlicht eine Entscheidung des Gesetzgebers, hier sogar des Verfassungsgebers. Und wenn das Wahlalter in NRW Verfassungsrang hat, zeigt dies, dass die Ausübung des Wahlrechts einen hohen Stellenwert in unserer Demo-kratie hat. Die Demokratie selbst hat Verfassungsrang im Grundgesetz. Demokratie lebt vom Kampf der Meinungen. Manchmal ist es auch notwendig, nicht Öl, sondern Sand im Getriebe der Politik zu sein, d. h. kritisch zu sein, selbst mit-zumachen und zu gestalten. Politik darf man nicht anderen überlassen.

Aus dem Demokratieprinzip folgt also nicht nur ein Wahl-recht: Alle Gewalt geht vom Volke aus. Es verpflichtet uns auch, insbesondere junge Menschen vor Beeinflussung, vor populistische Meinungen zu schützen. Ihnen beizubringen, wie man eine Zeitung kritisch liest – ich rede im übrigen von meiner Schulzeit -, wie man mit sozialen Medien umgeht, Fakenews erkennt, Faktenchecks macht usw..

Es ist für uns eine selbstverständliche Pflicht, für unsere jun-gen Menschen demokratische Lernprozesse zu organisieren.

Der  Landtag Nordrhein-Westfalen engagiert sich hierbei auf vorbildliche Weise und bietet mit dem Jugendparlament und den Besucherprogrammen für Schülerinnen und Schüler Projekte an, in denen junge Menschen einen umfassenden Einblick in die Mechanismen der Landespolitik erhalten. Dies verdient unsere ausdrückliche Anerkennung und muss weiter ausgebaut werden.

Aber was ist jetzt das richtige Wahlalter?

In Deutschland hat der Gesetzgeber eine Wertentscheidung getroffen. Er hat die Volljährigkeit auf Vollendung des 18. Lebensjahres festgelegt und damit umfassend Bürgerrechte und Bürgerpflichten konstituiert. Selbst im Strafrecht gibt es Ausnahmen, nach denen 21-Jährige als Heranwachsende noch nach Jugendstrafrecht verurteilt werden können, wenn ihre Reife als jugendtypisch zu beurteilen ist. Auch hier zeigt sich ja gerade die Schutzfunktion, die der Gesetzgeber übernommen hat.
 
Daran muss sich aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion auch das Mindestalter des aktiven Wahlrechts auf Landes- und Bundeebene orientieren. Denn die Wählerinnen und Wähler tragen mit ihrer Entscheidung aktiv zur politischen Gestal-tung des jeweiligen Bundeslandes und der gesamten Bun-desrepublik bei.

Es geht bei der Debatte um das Wahlalter nicht um die Fra-ge, einem Menschen ein Wahlrecht zu geben, weil er einen eigenen Willen hat oder gut argumentieren kann. Sondern es geht darum, den Wert unserer demokratischen Grundord-nung hoch zu halten, bis zur vollen Wahrnehmung der bür-gerlichen Rechte und Pflichten junge Menschen vor Popu-lismus und Extremismus zu schützen und bis dahin eben diese Lernprozesse so zu organisieren. 

Der Gesetzgeber muss entscheiden, wann dieser Erkennt-nisprozess bei Jugendlichen soweit als abgeschlossen be-trachtet werden kann, dass verantwortungsvolle Wahlent-scheidungen getroffen werden können.

Der Orientierungspunkt ist für uns, wie ich es bereits ausge-führt habe, die Volljährigkeit. Wir halten nichts davon, jetzt das Wahlalter herabzusetzen, obwohl die Verfassungskom-mission in der vergangenen Legislaturperiode hierzu bereits eine Entscheidung getroffen hat und sich ausdrücklich und gut begründet für die Beibehaltung des Wahlalters von 18 Jahren ausgesprochen hat.

Im Übrigen würde ein Wahlrecht ab 16 Jahren bedeuten, dass das aktive und das passive Wahlrecht auseinanderfie-len. 16- und 17-Jährige hätten demnach nur ein „halbes“ Wahlrecht. Das entbehrt jeder Logik.

Eine Absenkung des Wahlalters ist auch nicht dazu geeig-net, ein mangelndes politisches Interesse bei Jugendlichen zu ändern. Stattdessen ist eher zu befürchten, dass die Senkung des Wahlalters aufgrund des mangelnden politi-schen Interesses zu einem Rückgang der Wahlbeteiligung führen könnte. Das Wahlrecht darf nicht als ein erzieheri-sches Hilfsmittel herhalten.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es bei der Frage des Wahlalters zum einen um den Schutz der demokrati-schen Verfassung geht.

Zum anderen geht es aber auch um den Schutz heranwach-sender Jugendlicher vor Einflussnahme und Überforderung. Jugendliche sollten nicht mit Entscheidungen konfrontiert werden, mit denen sie sich überfordert fühlen oder verunsi-chert sind, mit dieser Aufgabe vertrauensvoll umzugehen. (15. Shell Jugendstudie 2006, Umfrage Grüne Jugend Ost-Alb 2009, forsa-Umfrage 2010. Durchschnittsergebnis dieser Umfragen: 52 % der Jugendlichen lehnen das Wahlrecht mit 16 Jahren ab, 24,7 % Zustimmung, 22,8 % Gleichgültigkeit).

Außerdem sollte man nicht davon ausgehen, dass ein Wahl-recht ab 16 Jahren einen geringeren Stimmenanteil für Ext-remisten bedeutet. Wenn ein Teil der Jugendlichen durch populistische Kampagnen eingefangen wird und andere aus mangelndem Interesse der Wahl fernbleiben, kann es pas-sieren, dass die Zustimmung für Parteien am rechten und linken Rand steigt.

Aus all den genannten Gründen lehnen wir den vorliegenden Gesetzentwurf ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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