Sascha Lienesch zu TOP 15 "NRW ist keine Räterepublik: „Bürgerräte“ und andere demokratisch nicht legitimierte Beteiligungsgremien auf Eis legen"

09.03.2023

Sehr geehrter/sehr geehrte Präsident/in,
Werte Kolleginnen und Kollegen,

Wir dürfen in einer gefestigten parlamentarischen Demokratie leben. Welch ein Geschenk der vorherigen Generationen. In vielen Ländern dieser Welt ist das nicht so und wir werden darum beneidet. Das Grundgesetz und natürlich die Landesverfassung bilden die Grundlagen hierfür.

Ein wirkliches Erfolgsmodell.

Können wir uns jetzt zurücklehnen? Nein – natürlich nicht.

Dass Demokratie immer wieder verteidigt werden muss, müssen wir uns immer wieder vor Augen führen und als Parlamentarier auch daran arbeiten. Wir müssen als Vorbilder demokratischer Kultur fungieren – egal welcher Partei wir angehören. Nicht zuletzt die Reichsbürger- und Querdenkerszene zeigt die Ablehnung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung immer wieder.

Die CDU steht zur repräsentativen Demokratie durch gewählte Abgeordnete in den Parlamenten. Das Modell hat sich seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland absolut bewährt und stellt die höchste Legitimation der Volksvertreter dar, die die wichtigen Entscheidungen in Form von Gesetzen oder Initiativen treffen.

Ja, Demokratie ist manchmal anstrengend, aber der Diskurs zu den verschiedenen Fragen unserer Zeit ist das Wesen der Demokratie.

Demokratie ist aber auch ein „lebendiges“ Gebilde, welches sich mit den gesellschaftlichen Entwicklungen auch verändert und vielleicht auch verändern muss, damit wir niemanden zurücklassen. Die Notwendigkeit der Weiterentwicklung betrifft aus meiner Sicht nicht die Grundstrukturen, aber sehr wohl ihre Ausgestaltung.

So haben wir schon vor einigen Jahren Elemente direkter Demokratie auf kommunaler Ebene eingeführt: Stichworte sind hier das Bürgerbegehren und der oft darauf folgende Bürgerentscheid wie auch der Ratsbürgerentscheid, bei dem ein Gemeinde- oder Stadtrat bewusst den wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern eine Sachentscheidung übertragen kann.

Die Partner aus CDU und Grünen haben sich in ihrem Zukunftsvertrag darauf verständigt im Laufe dieser Legislaturperiode zwei Bürgerräte einzurichten. Warten Sie das doch erstmal ab. Wie diese Bürgerräte zusammengesetzt werden und welche Themen dort behandelt werden. Das steht doch noch gar nicht fest.

Bürgerräte können dazu beitragen, dass sich Bürgerinnen und Bürgern aktiver an politischen Entscheidungen beteiligen. Dies gibt ihnen mehr Einfluss auf Entscheidungen, die sie betreffen.

Bürgerräte können dazu beitragen, dass eine breitere Palette von Meinungen und Erfahrungen in politische Entscheidungsprozesse einbezogen wird. Indem die Teilnehmenden zufällig ausgewählt werden, spiegeln Bürgerräte, wenn man es richtig macht, eine größere Vielfalt an Hintergründen wider.

Bürgerräte können dazu beitragen, die Legitimität von politischen Entscheidungen zu steigern, da sie von einer repräsentativen Gruppe von Bürgern getroffen werden, die aufgrund eines zufälligen Auswahlprozesses ausgewählt wurden. Dies kann das Vertrauen der Öffentlichkeit in politische Entscheidungen stärken.

Bei der Einsetzung von Bürgerräten müssen aus meiner Sicht zwei Grundvoraussetzungen erfüllt werden:
Bürgerräte müssen die Gesellschaft möglichst pluralistisch abbilden. So haben wir es auch in unserem Zukunftsvertrag festgehalten.

Und es müssen die „richtigen“ Fragen gestellt werden. Es soll um konkrete und kontroverse Themen gehen, die die Menschen in ihrem Alltag betreffen.

Klar ist aber auch: Am Ende trifft das Parlament die Entscheidung und übernimmt die Verantwortung für das politische Handeln.

Evaluation
Die Arbeit der von uns eingesetzten Bürgerräte sollte natürlich auch evaluiert werden. Es gilt fundiert herauszufinden, welche Stärken dieser Beteiligungsprozess hat und vielleicht auch, welche Hürden wir noch beseitigen müssen. Ich kann heute noch nicht sagen, ob das ein Erfolgsmodell wird. Wir sind aber offen für neue Formen der Beteiligung in unserem Land.

Zum Thema Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger haben Sie vielleicht in unserem Koalitionsvertrag auch weitergelesen. Wir haben noch mehr vor:

• Wir wollen das Wahlalter für Landtagswahlen auf 16 absenken, umso mehr junge Menschen an unserer Demokratie zu beteiligen.

• Wir wollen auch die direkte Demokratie erleichtern. Dazu soll eine Fachkommission eingerichtet werden, die Vorschläge für die Absenkung von Hürden bei Volksbegehren auf Landesebene entwickelt.

Der Mix aus repräsentativer Demokratie, direkter Demokratie und Bürgerräten trägt dazu bei, unsere Demokratie einerseits zu stärken, aber auch zu modernisieren. Von einer „Räterepublik“ zu sprechen entbehrt da jeder Grundlage. Niemand will die Parlamente durch Bürgerräte ersetzen.

Kommen wir zum Schluss nochmal auf Ihren Antrag zu sprechen. In der Ausgangslage fabulieren Sie. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

„Wenn eine AfD-geführte Regierung……..“  Das reicht schon. 

Ich bin froh, dass die übergroße Mehrheit der Wählerinnen und Wähler es nicht dazu kommen lässt, dass eine Regierung durch Ihre Partei geführt wird.

Der Überweisung in den Hauptausschuss stimmen wir selbstverständlich zu. Vielen Dank.