„Wir suchen eine Lösung zwischen Verbot und Status quo“

14.01.2021
Heike Troles zur Anhörung zu einem Sexkaufverbot in Deutschland

Die NRW-Koalition hat im vergangenen Jahr einen Antrag in den Landtag eingebracht, der sich gegen die Einführung eines Sexkaufverbots nach dem Nordischen Modell in Deutschland wendet. An diesem Donnerstag wurden Sachverständige im zuständigen Ausschuss für Frauen und Gleichstellung angehört. Dazu erklärt unsere frauenpolitische Sprecherin Heike Troles:

„Ich bin sehr dankbar für die vielen Sachverständigen von Berufsverbänden, Gewerkschaften, Polizei und Beratungsstellen, die uns mit der breiten und offenen Debatte im Landtag sehr geholfen haben – und darüber hinaus für die zahlreichen schriftlichen Stellungnahmen, die uns erreichten. Im Vorfeld der Anhörung haben wir erlebt, dass die Diskussion zum Teil sehr ideologiegetrieben und hochemotional geführt wird. Doch ich denke: Das wird der Ernsthaftigkeit unseres Themas nicht gerecht. Es geht uns allen – da bin ich vollkommen sicher – um den Schutz von Prostituierten und darum, Auswüchse der Prostitution wie Menschenhandel und Zuhälterei einzudämmen. Das wird in der ganzen Welt und nicht erst seit gestern versucht – leider nirgendwo mit durchschlagendem Erfolg. Und so kann niemand für sich in Anspruch nehmen, er wisse schon genau, wie eine optimale Umsetzung aussieht.

Um jedes willentlich herbeigeführte Missverständnis aus der Welt zu räumen: Mit unserem Vorstoß geht es uns nicht darum, Prostitution als Traumjob zu verklären. Es geht ebenso wenig darum, Zwangsprostitution und Menschenhandel zu verharmlosen oder gar zu fördern: Die NRW-Koalition verfolgt hier gemeinsam mit Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach und Innenminister Herbert Reul einen strikten Null-Toleranz-Kurs. Und ganz sicher geht es nicht um Akzeptanz für die Freier. Der Körper einer Frau ist keine Ware und mich schmerzt der Gedanke, dass er massenhaft doch so benutzt wird. Als Frau, Mutter und Frauenpolitikerin wünschte ich aufrichtig, wir könnten Prostitution in Deutschland einfach verbieten, wären sie damit los und es ginge allen betroffenen Frauen gut. Allerdings hegen wir in der NRW-Koalition da große Zweifel. Und über diese Zweifel muss gesprochen werden. Offen, ehrlich und mit einem gemeinsamen Ziel: die Frauen zu schützen.

Nach mehreren Fachgesprächen, einem ausführlichen Klausurtag und nun dieser Anhörung sehe ich keinen Beweis, dass das Nordische Modell de facto zu einer Abschaffung der Prostitution führt. Im Gegenteil: Sowohl der schwedische Sonderbotschafter als auch die schriftliche Stellungnahme einer Expertin von der Universität Göteborg gehen mit der Umsetzung des Verbots im eigenen Heimatland durchaus kritisch ins Gericht. Und laut Beraterinnen und Beratern zeigen auch die Erfahrungen hier in Nordrhein-Westfalen im Corona-Lockdown: Die Prostitution geht trotz Verbots weiter – versteckt und unkontrolliert.

Was aber haben wir gewonnen, wenn wir den Sexkauf verbieten, ihn aber nicht unterbinden können? Wir verdrängen dann die Prostituierten aus dem Hell- ins Dunkelfeld, wo sie unsichtbar sind und ausbeuterischen Zuhältern oder gewalttätigen Freiern weitgehend ausgeliefert. Das gilt für Zwangsprostituierte ebenso wie für Frauen oder Männer, die der Sexarbeit aufgrund wirtschaftlicher Nöte nachgehen. Wir können ihnen nur helfen – bei der Stärkung ihrer Rechte wie auch beim Ausstieg aus der Prostitution –, wenn wir mit ihnen in Kontakt treten können. Das haben uns Praktiker aus der Beratung heute bestätigt. Deshalb macht sich die NRW-Koalition für einen flächendeckenden Ausbau und eine bessere Koordination der Beratung für Prostituierte in NRW stark.

Und: Auch wenn sie wohl in der Minderheit sind, dürfen wir in der Debatte um ein mögliches Berufsverbot auch jene Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen nicht vergessen, die ihrer Tätigkeit tatsächlich aus freien Stücken nachgehen. Uns war sehr wichtig, den Berufsverbänden in der Anhörung ein Forum für ihre Position zu geben. Es steht uns nicht zu, diese Menschen zu diskriminieren, selbst wenn wir ihre Berufswahl vielleicht nicht nachvollziehen können.

Wir als NRW-Koalition wollen mit unserer Initiative ,Nein zum Nordischen Modell‘ keinesfalls eine Zementierung des Status quo, sondern im Gegenteil eine wirklich offene Lösungssuche, um das Beste für die Prostituierten und ihren Schutz zu erreichen. Deshalb suchen wir im Beratungsverfahren nach Kompromissen zwischen dem schwedischen Weg und unserem bisherigen in Deutschland. Ziel ist es, in Nordrhein-Westfalen eine Linie für den künftigen Umgang mit dem ältesten Gewerbe der Welt zu finden und diese als größtes Bundesland mit starker Stimme in die Debatte im Bund einzubringen.“

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