Guido Deus zu TOP 2 "Schließungswelle bei Galeria Karstadt Kaufhof – Beschäftigten helfen und die Krise zur Chance für die Stadtentwicklung machen"

30.03.2023

Sehr geehrter Herr Präsident / Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

"Egal, wie man sich darauf vorbereitet. Wenn man es dann schwarz auf weiß hat und es dann konkret wird, dann ist man einfach in tiefer Trauer".

Mit diesen Worten hat sich eine Galeria-Mitarbeiterin vor wenigen Wochen unter Tränen und um Fassung ringend in einem Interview mit dem WDR vor der Galeria Karstadt-Kaufhof Filiale in der Innenstadt von Gelsenkirchen zu den geplanten Filialschließungen geäußert.

In weniger als einem Jahr werden in zwei Wellen, einmal zum Sommer hin und dann Ende Januar 2024 von – nach aktuellem Stand – bundesweit 47 Galeria-Standorte geschlossen.

Die Enttäuschung und die Trauer ist nachvollziehbar, denn der letzte große Warenhauskonzern Deutschlands fungierte an seinen Standorten in bester Lage, mit stattlichen Gebäuden, inmitten der Innenstädte als bedeutender Publikums- und Kaufmagnet, als jahrzehntelanger Frequenzbringer und sicherer Arbeitgeber.

Die Gründe, die den Kaufhausriesen in die Knie gezwungen haben sind vielfältig und facettenreich – Fehlentscheidungen im Management, hohe Mieten und Energiepreise sowie verminderte Umsätze wegen des Internethandels oder während der Corona-Pandemie gehören auf jeden Fall dazu.

Nordrhein-Westfalen ist als Standort jedes fünften Einzel-handelsunternehmens und mit über eine Million Beschäftigten bundesweit Handelsstandort Nr. 1. Rund ein Drittel des gesamten Einzelhandelsumsatzes wird in NRW erwirtschaftet. Bis zum Ausbruch der Pandemie konnten wir auf fast ein Jahrzehnt ungebrochenem Umsatzwachstum zurückblicken.

Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass die gestei-gerten Umsätze, mit Ausnahme des Lebensmittelbereichs, fast ausschließlich beim Online-Handel zu beobachten sind. Mehr als zwei Drittel der Konsumenten shoppen mittlerweile online. Es lässt sich eindeutig ein stark verändertes Konsumverhalten erkennen.

Der bereits seit langer Zeit angeschlagene Konzern ist durch die Corona-Pandemie wirtschaftlich erheblich getroffen worden und musste kurz nach Beginn des ersten Lockdowns 2020 im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens Insolvenz anmelden.

Nach Umstrukturierungen, darunter Warenhausschließungen und Personalabbau, konnte Galeria zum Herbst desselben Jahres das Insolvenzverfahren wieder verlassen, erhielt dann Anfang 2021 über 400 Millionen Euro Bundeskredite und musste nichtsdestotrotz Ende Oktober 2022 erneut Rettung innerhalb eines Schutzschirm-Insolvenzverfahrens suchen.

Dies zeigt, dass trotz intensiver staatlicher Unterstützung das bisherige Konzept des Warenhauses den heutigen Vor-stellungen und Ansprüchen nicht länger gerecht wird.

Jetzt haben die Gläubiger diesen Montag der Warenhauskette noch eine Chance gegeben und dem Sanierungsplan zu-gestimmt. Es ist zu hoffen, dass Galeria ein Umschwung gelingt. Unsere Sorge gilt aber primär nicht dem Unternehmen, sondern dessen Beschäftigten und den Städten, die um zukunftsfähige Konzepte ringen.

Mit der Wahlfreiheit zwischen dem Einkauf im stationären Einzelhandel oder im Internet entsteht ein vollkommen neues Verständnis vom Einkauf in den Innenstädten. Der Konsument muss nicht länger in die Stadt, er will es und er will es nur, wenn er sich dort wohl und gut beraten fühlt.

Dafür ist es wichtig, ob die Innenstadt gepflegt ist und sich Menschen dort gern aufhalten und verweilen, wie das Angebot an Kunst und Kultur, an Gastronomie aufgestellt ist, wie ausgeprägt der Servicegedanke der ansässigen Geschäfte.

Die Bürgerinnen und Bürger treffen eine bewusste Entschei-dung die Innenstädte aufzusuchen. Sie kommen in die Innen-städte um etwas zu erleben: Festivals, Street-Food, einladende Restaurants, verträumte Café-Terrassen und saubere und einladende Parkanlagen. Eine deutlich erstarkte Erwartungs-haltung an Nachhaltigkeit und Klimaresilienz unserer Städte spielt hier eine besondere Bedeutung.

Mit der Tatsache, dass ein Mentalitätswandel stattgefunden hat, dass das Wohlfühlen, das Erlebnisse vor Erledigungen stehen, müssen wir umdenken, um der veränderten Erwartungshaltung gerecht zu werden.

Es ist eine gemeinschaftliche Aufgabe dafür zu sorgen, dass Stadt- und Stadtteilzentren interessant bleiben oder wieder werden. Wenn das Einkaufen in der Stadt keinen Mehrwert mehr bietet, dann greift man nicht länger zur Türklinke der eigenen Haustür, sondern zur Maus neben dem Computer.

Mit der Landesinitiative „Zukunft. Innenstadt. Nordrhein-Westfalen“, hatte sich in der letzten Legislaturperiode die CDU/FDP-Koalition bereits dieses Ziels angenommen.

Saubere, attraktive Innenstädte mit vielfältigen Angeboten und Verweilqualität, sind die Visitenkarte des Einzelhandels. Dabei sind wir davon überzeugt, dass die Kommunen selbst am besten wissen, was gefragt oder vor Ort zu tun ist. Daher geben wir den Kommunen die nötigen Instrumente an die Hand um vor Ort bedarfsspezifisch selbst gestalten zu können.

Die Erreichbarkeit der Innenstadt, ein gutes Leerstands-management, ein attraktives Ambiente und nicht zuletzt ein Nahversorgungsangebot sind hier Schlüsselthemen.

Der landeseigene Innenstadtfond war ein voller Erfolg: Im Dezember letzten Jahres wurden seitens der Kommunen 85% der gesamten Fördermittel abgerufen, rund 85 Millionen Euro, die geholfen haben und in den Kommunen immer noch helfen.

Neben den ad-hoc Sonderprogrammen greift zudem weiterhin die vom Land und Bund getragene Städtebauförderung um Kommunen bei innerstädtischen Veränderungsprozessen und bei der Stärkung der Innenstädten zu unterstützen. Mit jährlich im Schnitt der letzten 10 Jahre rund 360 Millionen Euro.

Rund ein Jahr nachdem das Land NRW mit Maßnahmen zur Rettung der Innenstädte an den Start ging, stellte der Bund sein Projekt „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ vor, welches in der Ausgestaltung interessanterweise dem nord-rhein-westfälischen Konzept stark ähnelt...

Nun stellt die Landesregierung nochmals 5 Millionen Euro als weitere Soforthilfe zur Verfügung, um von Filialschließungen betroffenen Kommunen bei der Entwicklung von Umnutzungs- und Umfeldkonzepten finanziell zu unterstützen.

Um die 5 Millionen Euro einordnen zu können: Bereits bei der ersten Schließungswelle 2020/2021 hat NRW unterstützt. Über 1,7 Millionen Euro hat das Land beigesteuert, um in den damals betroffenen Kommunen Nachnutzungskonzepte zu unter-stützen. Einige Standorte konnten eine Handelsnachnutzung erfahren, in anderen Standorten laufen Umbauten oder es werden gemischte Nutzungen angestrebt.

Zusätzlich werden aktuell – in Zusammenarbeit mit der IHK – die Auszubildenden aufgefangen, die durch Schließungen betroffen sind. Es wird dafür Sorge getragen, dass diese in anderen Unternehmen unterkommen, um dort ihre Ausbildung abzuschließen.

Die Bereitstellung der neuen Soforthilfe ist ein wichtiges Signal für die betroffenen Kommunen und deren Innenstädte. Wir wollen zudem auch dem lokalen Einzelhandel Wege in die Digitalisierung aufzeigen um sich dem Konsumverhalten anzupassen und neue Geschäftskonzepte zu entwickeln. Dafür haben wir dem Einzelhandel den vereinfachten Zugang zu Digitalcoaches ermöglicht, um individuelle Digitalstrategien zu entwickeln und umzusetzen.

Es ging und geht weiterhin immer darum – im Benehmen mit der kommunalen Familie – Rahmenbedingungen zu schaffen, damit unsere Kommunen zukunftsfähige Stadtlandschaften planen und umsetzen können - Hand in Hand mit neuen Konzepten für starke und lebendige Innenstädte.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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