Katharina Gebauer zu Top 6: „Sternenkinder“ verdienen mehr Aufmerksamkeit – Forschung und Unterstützung der Eltern bei Fehl- und Totgeburten verbessern!"

10.03.2023

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

das Thema Sternenkinder ist sehr sensibel und betrifft mehr Menschen und Familien als allgemein bekannt ist. Es ist Realität für viele Menschen in unserem Land. Wir dürfen die Betroffenen in solch einer herausfordernden Situation nicht mit ihrer Trauer und Verzweiflung alleine lassen. Es ist ein Schicksalsschlag, der verarbeitet werden muss. Diese emotionale Zeit sollte so gut wie möglich begleitet werden.

Glücklicherweise wird heute in der Gesellschaft offener über das Thema gesprochen als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war. Dennoch ist das nicht genug. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass über die Risiken von Fehl- und Totgeburten mehr gesprochen und besser aufklärt wird. Sie sind Teil der Lebenswirklichkeit.

Da insbesondere die Daten zu Fehlgeburten auf Schätzungen beruhen, ist eine breitere und validere Datengrundlage notwendig. Hier ist die Dunkelziffer viel zu hoch. Manche Studien sprechen von jeder 6. Frau die betroffen sei. Der Berufsverband der Frauenärzte von jeder 3. Frau vor der 12. Woche.
Das Robert-Koch-Institut hat für das Jahr 2017 aus Zahlen des Statistischen Bundesamts, der Krankenhausstatistik und Berechnungen der natürlichen Bevölkerungsentwicklung 39,5 Fehlgeburten auf 1.000 Geburten errechnet.

Viele Fehlgeburten die in einem sehr frühen Stadium stattfinden, werden nicht klinisch behandelt und fließen daher nicht in die Statistik ein. Nur wenn ein genauere Übersicht vorliegt, können die Ursachen erforscht werden. Unbestreitbar ist, die Zahl ist zu hoch. Deswegen muss die Forschung verlässliche Zahlen erfassen und anschließend auswerten.

Nach vielen Jahren des Rückgangs stagniert seit 2007 die Zahl der Totgeburten und seit 2010 steigt sie sogar wieder an. Der Zuwachs liegt in Deutschland bei erschreckenden 24%. Das durchschnittliche Alter von Frauen bei der 1. Geburt stieg auf 30,5 Jahre. Allein das höhere Alter kann jedoch keine Erklärung sein. Die Zahl der Totgeburten ist in allen Altersgruppen gestiegen. Mit einer besseren Datenlage, die auch weitere Faktoren, die die Schwangerschaft beeinflussen können, berücksichtigt, gelingt es uns hoffentlich diese Zahl zu senken.

Hinter jeder der 3.420 Totgeburten im Jahr 2021 stehen trauernde Eltern, trauernde Familien. Mütter, Väter und Familien bauen zu ihrem ungeborenen Kind bereits während der Schwangerschaft eine starke und emotionale Bindung auf. Kommt es dann zu einer Fehl- oder Totgeburt brauchen sie Zeit und einen Ort zum Trauern. Sie müssen Abschied nehmen können, ihren Schmerz verarbeiten. Auch Väter und nahe Angehörige müssen dabei stärker in den Fokus genommen werden. Betroffene müssen daher die Unterstützung bekommen, die sie benötigen.

Mit der Entlassung aus dem Krankenhaus haben gesetzlich Versicherte einen Anspruch auf ein Entlassmanagement, das die Versorgung der Betroffenen nach dem Krankenhausaufenthalt umfasst. Zusätzlich besteht ein Anspruch auf ambulante Regelversorgung, sowohl durch Ärzte als auch Hebammen.

Eltern stehen im Todesfall ihres Kindes einige Tage Sonderurlaub zu. So können sie ihr Kind beerdigen und haben Zeit zu trauern. Eine ähnliche Regelung sollte für Sternenkinder geschaffen werden. Eine zweiwöchige Freistellung für die Betroffenen ist der herausfordernden Situation angemessen. Hier ist allerdings der Bund gefragt. Sobald die Bundesregierung entsprechende Vorschläge vorlegt, wird die Landesregierung sie wie immer konstruktiv begleiten und sich im Bundesrat einbringen.

Es muss auch über einen Mutterschutz bei Fehlgeburten nachgedacht werden. Denn die körperlichen und seelischen Belastungen können je nach Stadium vergleichbar mit einer Totgeburt sein. Das Wichtigste ist, dass Frauen ein Angebot bekommen, das sie bei Bedarf und nach Wunsch schützt, ohne das es verpflichten ist. Denn jede Fehlgeburt und ihre Verarbeitung ist ein individueller Prozess.

Eine Umsetzung der hier heute diskutierten Vorschläge können den Verlust nicht wieder gutmachen, den Schmerz nicht lindern. Aber sie können hoffentlich den Eltern einen würdigen Abschied ihres Kindes ermöglichen, und ihnen die Trauerphase erleichtern, die nach einem solchen Schicksalsschlag notwendig ist.
Wir freuen uns auf den weiteren Austausch zu diesem wichtigen Thema im Ausschuss.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.