Simone Wendland zu TOP 6 "Genitalverstümmelung in NRW - Wo bleibt die Hilfe!"

18.06.2021

Herr Präsident.
meine Damen und Herren,
es fällt schwer, bei einem Thema wie Genitalverstümmelung abstrakte Zahlen zu nennen, weil jeder Einzelfall für sich vor allem ein Fall zu viel ist.
CDU und FDP haben mit einem gemeinsamen Antrag im Februar 2019 deutlich gemacht, dass Genitalbeschneidung eine Menschenrechtsverletzung ist, die im Falle minderjähriger Kinder einen Sorgerechtsmissbrauch darstellt und im Falle weiblicher Genitalbeschneidung auch ein Verbrechen.
Wir haben vor ziemlich genau zwei Jahren im Ausschuss für Gleichstellung und Frauen sehr intensiv über die verschiedenen Aspekte diskutiert. Dabei ist deutlich geworden: Der Rechtsstaat ist an seine Grenzen gelangt. Die Gesetzesvorschriften sind da und sie sind eindeutig.
Was der Staat noch machen kann und muss, ist informieren, sensibilisieren, aufklären – Mütter, Väter, Kinder, Angehörige, Lehrerinnen, Lehrer, Erzieherinnen, Erzieher, Polizei und Justiz. So gibt es z.B. eine Arbeitsgruppe zur Überwindung weiblicher Genitalverstümmelung im Bundesfamilienministerium, seit Februar 2021 informiert ein bundesweiter Schutzbrief über rechtlichen Folgen, in der Studien- und Prüfungsordnung für Hebammen gibt es einen besonderen Passus zur weiblichen Genitalverstümmelung, eine Regelung im Passgesetz, die die Entziehung des Passes bei Planung von weiblicher Genitalverstümmelung vorsieht und speziell hier in NRW den runden Tisch und die Unterstützung der Beratungsstrukturen und vieles mehr.
So schwer es auch fällt: Wenn man hier etwas bewirken will, benötigt man Empathie – etwas, was man bei dem vorliegenden Antrag selbst bei viel gutem Willen nicht einmal zwischen den Zeilen herauslesen kann. 
Sie wollen suggerieren, dass man dem Problem mit den herkömmlichen Mitteln des Rechtsstaates begegnen könnte. Es geht in dem Antrag weder um Aufklärung, noch um Information, erst recht nicht darum, wie man Eltern davon überzeugen kann, ihre Töchter vor Genitalbeschneidung zu schützen.
Was soll es bringen bei den Staatsanwaltschaften eigene Abteilungen einzurichten, für Fälle, die nicht erfasst werden ?
Berufsträgern, die verpflichtet sind, das, was ihnen beruflich anvertraut wird, als Geheimnis zu bewahren, Meldepflichten aufzuerlegen, halte ich für absurd, weil er das besondere Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und ihren Patienten und Mandanten aushebelt.
Erst seit 10 Jahren haben diese Berufsgruppen überhaupt die Möglichkeit, das Jugendamt einzuschalten, aber erst dann, wenn sie keine andere Möglichkeit sehen, Kinder zu schützen.
Ob sie das tun, ist ihre eigene Gewissensentscheidung.
Diese Berufsgruppen erfahren oft zuerst von konkreten Fällen und sind so in der Lage, Einfluss auf die Eltern zu nehmen – mit Empathie, Informationen und Argumenten. Diese Möglichkeit sollten wir nicht verbauen, indem wir Gesetzesvorschriften erlassen, die es Betroffenen und ihrem Umfeld erschweren, sich jemanden anzuvertrauen, weil er befürchten muss, statt Hilfe ein Gerichts- oder Strafverfahren zu bekommen.

Ihren Antrag lehnen wir ab.