„Wer Kammer ohne Alternative ablehnt, stiehlt sich aus Verantwortung“

11.11.2021
Peter Preuß zur Diskussion um die Pflegekammer NRW

In Nordrhein-Westfalen soll eine Pflegekammer als berufsständische Vertretung aller Pflegenden eingerichtet werden. Damit erfüllt die NRW-Koalition von CDU und FDP eine seit über einem Jahrzehnt bestehende Forderung der Pflegefachverbände. Es gibt inzwischen aber auch Pflegende, die sich gegen die Verkammerung wehren. Diese Gruppe adressiert zunehmend die SPD-Fraktion im Landtag. An diesem Donnerstag gab es dazu einen Pressetermin mit zwei „Pflegebündnissen“, die gegründet wurden, um eine Pflegekammer zu verhindern. Dazu erklärt unser gesundheitspolitischer Sprecher Peter Preuß:

„Die Forderung nach einer Pflegekammer NRW, die 200.000 bis 300.000 Pflegenden eine starke Stimme geben soll, wird aus dem Berufsstand heraus seit mehr als zehn Jahren erhoben. Das entsprechende Gesetz wurde im Landtag mit breiter Mehrheit von CDU, FDP und Grünen beschlossen. Jetzt versucht die SPD, die abgeschlossene Diskussion wieder aufzubohren – was angesichts der Beharrlichkeit verwundert, mit der SPD-Gesundheitspolitiker im Bund die Einrichtung von Länderpflegekammern vorangetrieben haben. So forderte die sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert, seinerzeit Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags, schon 2016, Landes- und Bundespolitik dürften sich bei einer echten Interessenvertretung nicht wegducken: ,Es sind die Länderparlamente, die gesetzgeberisch den Weg frei zu machen haben für die Einrichtung einer Pflegekammer in ihrem Bundesland.‘ Und sie lobt die Akzeptanz für die Einrichtung einer Pflegekammer in Berlin laut einer repräsentativen Abstimmung – ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren, das laut den Sozialdemokraten im NRW-Landtag jetzt nichts gelten soll.

Aber: Wer wie die NRW-SPD-Fraktion in einer Pressemitteilung am Mittwoch nach besseren Bedingungen im Pflegeberuf ruft und im Pressetermin am Donnerstag fordert, die Einrichtung einer eigenen Kammer als Selbstorganisation der Pflege zu stoppen, der stiehlt sich billig aus der Verantwortung. Eine Alternative zur Kammer, die den Pflegerinnen und Pflegern auch zum Beispiel bei Verhandlungen für eine neue Krankenhausplanung eine Rolle auf Augenhöhe mit Ärztekammer, Krankenkassen und Betreibern von Einrichtungen bringt, haben die Sozialdemokraten jedenfalls nicht im Angebot.

Ja, die Mitgliedschaft in einer Kammer ist für alle Angehörigen eines Berufsstandes verpflichtend – ganz gleich ob Ärzte-, Anwalts- oder Handwerkskammer und überall akzeptiert. Alle weiteren Regelungen wie der Mitgliedsbeitrag obliegen der Kammer selbst und sind keine politische Entscheidung. Wir sind der Überzeugung, dass eine Pflegekammer, die für jedes Mitglied einer so großen Gruppe spricht, ein immenses Gewicht hat und die Arbeitsbedingungen im Sinne der Pflegenden verbessern wird. Wer die Kammer nicht will, muss auch sagen, wie die Alternativlösung aussehen soll – denn dass Hunderttausende allein in NRW nicht wirklich mitreden, wenn es um ihren Beruf geht, kann so nicht bleiben. Auch weiß man bei der SPD sehr wohl, dass eine Urabstimmung über die Kammer derzeit überhaupt nicht möglich wäre, weil es derzeit keinen Überblick gibt, wer und wo in der nordrhein-westfälischen Pflege arbeitet. Wir brauchen eine sachliche Diskussion – Schaum vor dem Mund und Populismus werden den Pflegeberuf nicht voranbringen.“

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